Sap Ying Kuen – Die 10 Elemente Form

In Kung Fu by Kung Fu München

Die 10-Elemente-Form
Die 10-Elemente Form ist eine wesentliche Serie von Techniken innerhalb des Kung Fu. Die Form stellt eine der fortgeschrittenen Techniken des Hung Kuen dar. Genau genommen sollte die Zehn-Elemente Form (十形拳 – Sap Ying Kuen) besser die „Fünf Figuren und Fünf Elemente Form“ (Ng Ying Ng Hang Kuen) genannt werden.

Gold (Metall), Holz, Wasser, Feuer und Erde werden als die fünf Elemente bezeichnet, während die fünf Figuren die Nachempfindung der Bewegungen der fünf Tiere ist, nämlich Drache, Schlange, Tiger, Leopard und Kranich. Die Chinesen sagen, dass diese fünf Elemente sich gleichzeitig gegenseitig erzeugen wie auch hemmen. Das Element Gold bezeichnet die Lunge, Holz die Leber, Wasser die Nieren, Feuer das Herz und Erde die Milz. Kurz gesagt: Die fünf Elemente verkörpern die fünf wichtigsten Körperorgane des Menschen. Soweit man den Begriff „gegenseitiges Schöpfen“ zulassen kann, heißt es weiter, dass Gold Wasser herstellt, Wasser das Holz, Holz das Feuer, das Feuer die Erde und die Erde wiederum produziert Gold. Dieser Kreislauf ist unendlich. Bezüglich der Hemmung wird gesagt, dass Gold Holz hemmt, Holz die Erde, die Erde das Wasser, Wasser das Feuer und Feuer das Gold. Auch dieser Ring ist ohne Ende. Die fünf Elemente Theorie ist gegenwärtig der früheste Beweis für chinesische Alchemie während der Hang Dynastie (ca. 206 v. Chr.).

5 Elemente5 Elemente

Die Lehre des gegenseitigen Erzeugens und Hemmens entspricht in gewisser Weise der Theorie über die Elemente und die drei Aggregatszustände unserer modernen westlichen Chemie. Die Zehn Elemente Form wurde teilweise durch die Anpassung ihrer Bewegungen an die fünf Elemente geschaffen. Ihr liegen zum Großteil die Prinzipien der Mechanik und der räumlichen Ausformung der chemischen Elemente zugrunde. Dies bedeutet in Bezug auf Hung Kuen Techniken, den „Gold spaltenden“ Schlag, der „Holz quetschende“ Schlag, der „Wasser plätschernde“ Schlag, der „Feuerpfeil“ Schlag und der „in die Erde stampfende“ Schlag.

Eines der fünf Tiere der Zehn Elemente Form, der Drache, ist nur ein Fabelwesen, während die anderen vier, Schlange, Tiger, Leopard und Kranich wirklich existieren. Die Schlange ist ein Reptil, Tiger und Leopard sind Wildkatzen und der Kranich ist ein Wasservogel. Sie stellen eine bestimmte Art von Figuren dar und verkörpern innerhalb der Kampfkunst eine Mischung aus Weichem und Hartem, Schnellem und Langsamem. Die Bewegungen unterstützen und ergänzen sich gegenseitig; sie verändern sich in Übereinstimmung mit einem bestimmten Kreislauf in fortgesetzter Weise.

Die Drachenform

Die Drachenform dient einer Verfeinerung des Geistes. Um sie auszuüben braucht der Schüler nicht notgedrungen körperliche Stärke, er sollte jedoch „Chi“ (innere Kraft) anwenden. Der Körper bewegt sich dabei verhalten und tänzelnd; die Bewegungen versinnbildlichen die eines Drachens, der in der Luft „umherwandert“. Die beiden unteren Gliedmaßen bleiben in ihrer natürlichen Haltung während des Stillstandes, in der Bewegung fließen sie, sinken und strecken sich aus. Der Stand muss stabil und beweglich zugleich sein. Die Vor-und Zurückbewegungen sind ebenso schnell und unvorhersehbar, wie die eines göttlichen Drachens. Wenn sich der göttliche Drache bewegt, kann niemand sein Vorder- und Hinterteil gleichzeitig sehen.

Drachenform

Die Schlangenform

Schlangenform

Die Schlangenform ist geeignet für ein verfeinertes Chi oder untere Kraft (wörtlich: Atmung). Diese Form, wie das Ein- und Ausatmen, steht für Ausgeglichenheit und Flexibilität. Die Schlange kriecht auf dem Boden, als würde sie sich auf einer Wasseroberfläche oder in einer Luftströmung fortbewegen. Die Schlange ist ein außerordentlich biegsames und geschmeidiges Reptil. Aufgrund ihrer Beweglichkeit sind ihre Bewegungen sehr schnell und weich zugleich, und sie kann ihren Körper sowohl krümmen als auch strecken. In der Schlangenform werden Handfläche und Finger als „Kopf“ der Schlange bezeichnet, das Handgelenk als Hals und der Arm als Körper.

Die Leopardenform

Diese Form ist für eine Verfeinerung der Kraft des Körpers. Da der Körper des Leoparden kleiner als der des Tigers ist, ist seine Gesamterscheinung weniger furchterregend. Jedoch ist seine Stärke der des Tigers nicht unterlegen, und seine Bewegungen sind geschmeidiger. Der Leopard liebt Sprünge, daher ist seine Hüfte sehr stark und seine Bewegungen sind schnell und kraftvoll. Die Leopardenkralle ist schmäler als die des Tigers, und die Finger beider Hände werden wie Stahlhaken gekrümmt. Damit stellt die Leopardenfaust eine Mischung aus Faust und Kralle dar.

Leopardenform

Die Tigerform

Tigerform

Die Tigerform dient der Kräftigung des Körpers. Wenn man diese Form trainiert, werden sämtliche Körperteile beansprucht, besonders die Arme, der Oberkörper und die Achseln. Die auf- und abgehenden Bewegungen werden kraftvoll ausgeführt, der Hals ist dabei gerade, und der Gesichtsausdruck des Übenden ist wachsam und gespannt. Die gesamte Haltung ist die eines gefährlichen Tigers, dessen Krallen so scharf sind, dass er damit auf Bäume klettern kann. Die Tigerform ist die „härteste“ innerhalb der 10-Elemente Form. Ihre Schläge sind hart und kraftvoll.

Die Kranichform

Die Kranichform dient zur Unterstützung der „Ruhe des Geistes“. Sie verkörpert Begriffe wie Ruhe und Langsamkeit ebenso wie Wendigkeit und Leichtigkeit. Wenn man diese Form trainiert, sollte die gesamte Konzentration auf die Ausführungen der Bewegungen gerichtet sein, und alle anderen Gedanken sollten keinen Platz finden. Die Form sollte mit großer Ruhe und der Schnelligkeit eines flüchtenden Feldhasen ausgeführt werden. Der untere Teil des Körpers bewegt sich bedächtig und stabil, während der Oberkörper schnell und biegsam ist. Augen und Geist sind wachsam, aber gleichzeitig mit Ruhe und Ausgeglichenheit erfüllt. Wenn man einem Gegner gegenübersteht, sollte man dessen Angriffen mit Ausgeglichenheit und Entspannung begegnen, um im geeigneten Moment zuzuschlagen.

Kranichform

Die Wasserform

Wasser ist „weich“. Damit kann es allem, was „hart“ ist, entgegentreten. Das Wasser kann Dinge auf seiner Oberfläche halten, und sie ebenso sinken lassen. Wenn es unbewegt ist, ist seine Oberfläche so unbewegt wie eine Spiegelfläche, wenn es aufgewirbelt ist, erzeugt es hohe Wellen.

Die Goldform

Die Goldform steht für den Akt des Spaltens. Sie ist wie das Spalten eines Baumstammes mit dem „Goldhammer“. (Der Goldhammer ist eine Axt-förmige Waffe, die von den Chinesen in alten Zeiten in Schlachten benützt wurde. Sie besteht aus einem kupferfarbenen Griff und einem Kürbis-förmigen Vorderteil. Aus diesem Grund spricht man auch von dem „Kürbis-förmigen Goldhammer“. Die Goldform beruht auf der Idee des „mit Gold Holz spalten“.

Die Holzform

Bei dieser Form wird sowohl mit der linken als auch mit der rechten Faust angegriffen. Sie beinhaltet große Stärke und die Bewegungen sind so, als ob ein Stück Holz von beiden Seiten gequetscht wird. Deshalb spricht man vom „Holz quetschenden“ Schlag. oder dem „dreisternigen Holz quetschenden“ Schlag. Um diese Form auszuführen, integrieren die beiden unteren Gliedmaßen eine rollende Bewegung, und die beiden Fäuste, mit den Handflächen nach innen zeigend, schlagen auf den Gegner gleichzeitig ein. Der Gegner wird von beiden Seiten „eingequetscht“.

Die Feuerform

Wenn eine Rakete (wörtlich: Feuerpfeil) gezündet wird, entsteht eine Explosion und sie schießt mit großer Kraft und Geschwindigkeit nach vorne. Ebenso sind bei den Angriffen der Feuerform die Schläge schnell wie Raketen. Auf einen Schlag erfolgt sofort ein zweiter, so dass die Angriffe förmlich auf den Gegner herab prasseln. Deshalb spricht man auch vom „ungebrochenen Raketenschlag“.

Die Erdform

Erde bezieht sich auf die Ebene bzw. den Boden und stellt somit die „tiefere Position“ oder den Grund dar.


Quelle:
„Real Kung Fu“, 1973