Ein altes Sprichwort heißt „Nördliche Füße, südliche Hände“, sagt Bucksam Kong. „Die Kampfkünste sind den Lebensumständen angepasst, da verschiedene Teile von China unterschiedliche Notwendigkeiten der Selbstverteidigung haben.“
Das kalte Klima im Norden von China und das warme Klima im Süden helfen, einige der Unterschiede zwischen nördlichen und südlichen Kung Fu Stilen zu erklären. Der Norden ist kalt, und der nördliche Stil hat sich seiner Umgebung angepasst, indem er viele kräftige Fußtritte benutzt. Der Winterboden ist gefroren und hart, was einen festen und soliden Stand erlaubt. Die Menschen im Norden sind auch größer, und durch die Fußtritte nutzen sie den Vorteil ihrer langen Beine aus. Das Wetter macht Schuhe oder Stiefel notwendig, welche zusätzlich die Wucht der Fußtritte steigern. Aber die Menschen müssen sich im Winter auch richtig einpacken und dicke, gefütterte Jacken tragen, die Fauststöße und Armbewegungen behindern. Ebenso sind kalte oder Hände in Handschuhen zu schwerfällig, etwas zu greifen oder verschiedene Fäuste zu formen.
Im Süden dagegen ist der Boden wärmer. Jahrhundertelang waren die Menschen überwiegend Bauern auf Reisfeldern mit schlammigem Wasser. Barfuß auf weichem Boden und Schlamm ist es schwieriger zu treten, so dass man eher starke Hände und Arme sowie verwurzelte Stellungen und eine Balance tief am Boden entwickelte. Angesichts dessen ist es leicht zu erkennen, dass Hung Gar ein südchinesischer Stil ist, und zwar ein Stil, der sich 15 Jahrhunderte zurückdatieren lässt. Der Shaolin Tempel 少林寺 wurde ca. 500 n. Chr. in der Provinz Honan 河南 erbaut. Der Legende nach lehrte ein Priester aus Indien, Bodhidharma (chinesisch 菩提達摩 Pútídámó – Tamo) genannt, die Shaolin Mönche eine Übungssequenz, um deren Kraft für die Gebete zu verbessern. Und im Laufe der Zeit, so erzählt auch die Legende, beherbergte der Tempel Rebellen und Geheimgesellschaften. Während der T‘ang-Dynastie unterstützten die Mönchsoldaten den Kaiser und wurden wegen ihres Mutes geehrt. In der Mitte des 16. Jhd. systematisierten die Mönche die Kunst in 5 Tierstilen: Drache, Leopard, Schlange, Tiger und Kranich.
Auch 1644, als die Manchus in China einfielen, um die Ch‘ing- Dynastie zu errichten, versteckten sich im Shaolin Tempel Rebellen und Geheimgesellschaften, die planten, die Ming-Dynastie wiederherzustellen. Infolgedessen wurde im 18. Jahrhundert die Ausübung des Kung Fu von den Manchus geächtet. Weiterhin in Angst vor einer Rebellion zerstörten die kaiserlichen Soldaten im Jahre 1736 den Tempel. 30 Jahre später trachteten sie erneut allen Mönchen, die entkommen sein könnten und möglicherweise in den Süden geflohen waren, nach dem Leben. Die Legende erzählt, dass nur ein einziger Mönch, nämlich Ji Sin (engl. Gee Sin), überlebte, welcher dann fünf Schüler – Hung, Li, Mok, Lau und Choy – fünf verschiedene Systeme lehrte. Hung Hei Gung 洪 熙 官 entwickelte das System Hung Gar, und er gründete den Tiger-Kranich-Stil (Fu Hok Pai 虎鶴派), der auf den 5 Tieren basiert. Man nimmt an, dass er die weicheren Kranichtechniken von einer Frau namens Fong Wing Chun lernte. Hung Gar ist das System, von dem gesagt wird, dass es im Laufe der Jahrhunderte am wenigsten von dem ursprünglichen Stil des Shaolin Kung-fu abgewichen ist. Hung lehrte seine Kunst in Kuangtung im Geheimen, kam aber 1813 aus seinem Versteck hervor, als die Ch‘ing das Kung Fu seines Banns enthoben. Ji Sin unterrichtete auch Luk Ah Choy 陸阿采, der später mit Hung trainierte und eine Schule in Kanton errichtete. Luks bester Schüler war Wong Tal dessen Sohn Wong Kei Ying von seinen Ebenbürtigen zu einem der “Zehn Tiger von Kuangtung“ erklärt wurde. Wong Kei Yings Sohn Wong Fei Hung gelangte zu Ruhm, als er die Armee von Kuangtung lehrte; er wurde Arzt und erbte die Schule seines Vaters. Er ist ein populärer kantonesischer Volksheld, der um seiner Freundlichkeit, seiner moralischen Werte und seiner Kampfkunst willen gefeiert wird.
Einer von Wong Fei Hungs höchsten Schülern war Lam Sai Wing, der die Armee unterrichtete und eine Hung Gar Schule betrieb, zuerst in Kanton und später in Hong Kong. Lam schrieb eine Reihe von Büchern über Hung Gar. Seine Lehre und seine Schule übergab er seinem Neffen Lam Cho (engl. Lum Jo). Der Tradition Wong Fei Hungs gemäß war diese Schule auch eine Klinik, in der traditionelle Heilkünste und Medizin praktiziert wurden. Bucksam Kong begann im Alter von acht Jahren bei Lum Jo zu lernen, bis er 1956 nach Hawaii übersiedelte und später dann die Tradition des Hung Gar in die Vereinigten Staaten brachte.